Mütter und Väter geraten nach der Offenlegung des sexuellen Missbrauchs ihrer Kinder in eine schwere seelische Krise. Gleichzeitig verlangt die Umwelt von ihnen trotz der extremen Belastungssituation weitreichende Entscheidungen: Sie sollen das Kind vor dem Täter/der Täterin schützen, die Familie erhalten, dem Opfer bei der Aufarbeitung helfen. Sie sollen, sie sollen…
Dabei sind nicht nur die Kinder Opfer der sexuellen Gewalt, sondern ebenso die Mütter und Väter. Oftmals erleben Eltern die Aussagen ihres Kindes über die sexuelle Ausbeutung mit einer ähnlichen Intensität, als ob ihnen selbst Gewalt angetan würde. Auch sie wurden missbraucht: Ihr Vertrauen wurde von dem Täter/der Täterin hintergangen. Und so brauchen Mütter und Väter ebenso wie die betroffenen Mädchen und Jungen vor allem eines: Unsere Solidarität.
Oft hilft es Müttern und Vätern, wenn sie erfahren, wie andere Eltern diese Krise bewältigt haben. Die Berichte von Betroffenen wollen anderen Eltern Mut machen und bei Dritten Verständnis für deren Situation wecken.
Es gibt nichts, was wir nicht zusammen lösen könnten, egal, was passiert
Brigitte, 35 Jahre, Finanzbeamtin
Brigitte überrascht ihren Verlobten, als dieser ihre 12-jährige Tochter und deren Freundin missbraucht. Sie beschreibt, wie sie in der Krisensituation „funktioniert“, die beiden Mädchen schützt und wie sie ihre Tochter bei der Verarbeitung der Gewalterfahrungen begleitet.
Du suchst die Schuld bei dir, doch sie liegt nicht bei dir
Ruth, 30 Jahre, medizinisch-technische Assistentin
Ruth erfährt durch das Jugendamt und Zartbitter, dass ihr Mann ihre fünfjährige Tochter missbraucht. Sie beschreibt ihren ersten Schock und ihre Gefühle in den Monaten nach der Aufdeckung des Verbrechens und wie sie die Schwierigkeiten meistert, für sich und ihre Tochter ein neues Leben aufzubauen.
Wäre ich doch lieber selbst vergewaltigt worden
Christiane, 31 Jahre, Erzieherin
Christiane hat gerade ein kleines Mädchen zur Welt gebracht, als ihre 18 Monate alte Tochter ihr zu verstehen gibt, dass sie missbraucht wurde. Einige Zeit später findet Christiane heraus, dass auch ihr drei Jahre alter Sohn Opfer des gleichen Täters wurde. Sie beschreibt, wie sie und ihr Mann den Kindern zur Seite standen und die Krise bewältigten.
Wir waren eine „glückliche“ Familie
Gabi, 47 Jahre, Logopädin
Gabi erfährt 1989, dass ihre Töchter vom Ex-Mann missbraucht wurden. Sie hatte versucht, den Schein einer glücklichen Familie aufrechtzuerhalten, während ihr Ex-Mann Gewalt und Psychoterror nutzte, um seine Taten zu verbergen. Diese Familiendynamik spiegelt die späte Anerkennung häuslicher und sexueller Gewalt in der Gesellschaft wider.