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Sexueller Missbrauch in Institutionen kommt nicht nur in der katholischen Kirche vor

Die heftige Diskussion um das Zölibat tabuisiert weiterhin das wahre Ausmaß der sexuellen Ausbeutung von Mädchen und Jungen in Institutionen

In der sehr öffentlichen Debatte über sexuelle Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und jungen Erwachsene in der katholischen Kirche wird das Zölibat häufig als eine Ursache für das große Ausmaß der Gewalt genannt. Diese Diskussion trägt zu einer weiteren Tabuisierung des großen Ausmaßes von sexueller Ausbeutung in Institutionen bei.

Zartbitter Köln berät seit Anfang der 90er Jahre Institutionen, die zum Tatort sexueller Ausbeutung wurden. Die breiten Beratungserfahrungen von Zartbitter Köln machen deutlich, dass die Sexualfeindlichkeit der katholischen Kirche zweifelsfrei das Risiko der sexuellen Ausbeutung erhöht:
  • Die Vernachlässigung der Förderung einer selbstbestimmten, lustvollen Sexualität erschwert Mädchen und Jungen das Gespräch über Sexualität und somit auch über sexuelle Gewalterfahrungen.

  • Die Homosexuellenfeindlichkeit der katholischen Kirche erschwert es Jungen und Mädchen, die von gleichgeschlechtlichen Tätern und Täterinnen missbraucht wurden, ihre Gewalterfahrungen aufzudecken.
So kritisch man dem Zölibat gegenüberstehen mag, die breite Erfahrung von Zartbitter entlarvt die Reduzierung der Täterschaft auf zölibatäre katholische Priester als Mythos, der zu einer grundlegenden Vernachlässigung eines ausreichenden Schutzes von Mädchen und Jungen vor sexuellen Grenzverletzungen führen kann.
  • Eine allzu einseitige Diskussion über das Zölibat lenkt von dem großen Ausmaß der sexuellen Ausbeutung von Kindern in Schulen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Sportvereinen, kommerziellen Angeboten für Kinder und Jugendliche (Ballett, Ferienreisen, Musikunterricht)  … ab. Folglich ist die mit großer Heftigkeit geführte aktuelle Diskussion über das Zölibat im Sinne des Kinderschutzes kontraproduktiv.

  • Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften  (zum Beispiel der evangelischen Kirche, den Zeugen Jehova, dem Islam) verkünden häufig mit einem trügerischen Seufzer der Erleichterung: „Bei uns sind die Geistlichen verheiratet und unsere Kinder somit vor Missbrauch durch Geistliche sicher“ Derart „naive“ Gläubige werden nicht selten mit der bitteren Realität konfrontiert, dass ein vermeintlich ungefährlicher, heterosexuell lebender Geistlicher oder Laienhelfer Mädchen und/oder Jungen missbraucht hat! Die Beratungsarbeit von Zartbitter Köln in den letzten 25 Jahren hat deutlich gemacht, dass auch der Missbrauch innerhalb kirchlicher Institutionen vorrangig von heterosexuell lebenden Tätern und Täterinnen verübt wird, die sich in kirchlichen Institutionen als Gemeindereferenten, Diakone, Gruppenleiterinnen, Jugendbetreuer, jugendlichen Messdienerführer, Koch auf Ferienfreizeiten … engagieren.

Sexueller Missbrauch ist Machtmissbrauch. Täter und Täterinnen engagieren sich gezielt als haupt- oder ehrenamtliche Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen nicht nur in kirchlichen Institutionen, sondern ebenso in anderen Lebensbereichen. Über haupt- und ehrenamtliches Engagement versuchen sie in Einrichtungen der Jugendhilfe, der Schule und der außerschulischen Jugendarbeit mit potenziellen Opfern in Kontakt kommen.

Kinder und Jugendliche sind auf den Schutz der Institutionen angewiesen. Erwachsene und ältere Jugendliche dürfen ihre institutionelle Macht und/oder körperliche und intellektuelle Überlegenheit nicht ausnutzen, um Mädchen und Jungen zu missbrauchen. Mit der Problematik sexueller Ausbeutung von Mädchen und Jungen durch haupt- oder ehrenamtlich tätige erwachsene Männer und Frauen als auch männliche und weibliche Jugendliche sehen sich alle in der Kinder- und Jugendarbeit tätige Institutionen konfrontiert. Folglich müssen sich alle Institutionen der Problematik stellen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Die Beratungserfahrungen von Zartbitter Köln und vieler anderer Opferberatungsstellen  belegen, dass neben kirchlichen Institutionen vor allem  auch Schulen und Sportvereine ein besonders hohes Risiko haben, zum Tatort sexueller Ausbeutung durch erwachsene und jugendliche Täter/Täterinnen zu werden.

Die Schulaufsichtsbehörden und Sportverbände haben in der Vergangenheit ebenso wie die Kirchen bis auf wenige Ausnahmen gewalttätige Erziehungs-/Trainingsmethoden und sexuellen Missbrauch vertuscht und die Täter häufig an die nächste Schule versetzt bzw. an den nächsten Verein vermittelt.

Nicht nur die Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern ebenso die Kultusministerien der Länder und der Deutscher Olympische Sportverband müssen unabhängige Experten/Expertinnen benennen, bei denen sich Opfer melden können, die sexuellen Missbrauch und gewalttätige Erziehungs-/Trainingsmethoden in Schulen und in Sportvereinen erlitten haben.

Ursula Enders 15.03.2010    
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