Skizze typischer Strategien der Täter und Täterinnen
von Ursula Enders
Fantasie und Motivation entwickeln
In der Regel beginnt Missbrauch mit der Fantasie eines Täters/einer Täterin, ein Kind sexuell auszubeuten. Anstatt diese Fantasie zu stoppen, gehen sie dieser nach – nicht selten durch den Konsum von Missbrauchsabbildungen und dem Austausch mit anderen Tätern im Netz. Schritt für Schritt überwinden sie innere Hemmungen, die Fantasie in die Tat umzusetzen und überlegen zum Beispiel, in welchen Bereichen sie sich engagieren können, um mit potenziellen Opfern in Kontakt zu kommen – zum Beispiel im Sport.

Wahrnehmung der Umwelt vernebeln
Die Auswertung der Berichte betroffener Kinder, Jugendlicher und deren Eltern belegt, dass Täter sich zum Beispiel zunächst bemühen, durch engagierte Arbeit das Vertrauen von Eltern und Vorstand zu gewinnen, damit niemand ihnen sexuelle Gewalt zutraut. Auch sollen betroffene Kinder und Jugendliche keine Chance sehen, sich den Erwachsenen anzuvertrauen, da sie davon ausgehen, dass die Erwachsenen mit dem Täter befreundet sind, ihm ein solches Verbrechen nicht zutrauen und folglich den Opfern nicht glauben.
Widerstand der Opfer überwinden
Anschließend wählen Täter oft sehr strategisch ihre potenziellen Opfer aus. Scheinbar versehentlich nutzen sie z.B. sexuelle Grenzverletzungen als Testritual, um die Widerstandskraft von Kindern abzuchecken. Im Fußball finden diese ersten Testrituale nicht selten durch sexuell grenzverletzende Sprüche und Blicke beim Training oder aber bei Fahrten im Mannschaftsbus statt (zum Beispiel durch scheinbar zufällige Berührungen des bekleideten Genitalbereichs der Jugendlichen). Die Übergriffe steigern Täter und Täterinnen Schritt für Schritt und desensibilisieren so Jungen und Mädchen gegenüber sexueller Gewalt. Als Gelegenheiten für sexuelle Gewalthandlungen bieten sich im Fußball ebenso wie in anderen Sportarten u.a. Einzeltrainings, Autofahrten und Übernachtungen an. Durch besondere Förderung einzelner Kinder und Jugendlicher und/oder durch Geschenke schaffen Missbraucher mit viel Geschick, Abhängigkeiten aufzubauen. Auch säen sie oft Intrigen unter den jungen Sportler*innen. Dadurch isolieren sie ihre Opfer und erschweren es diesen, die ihnen zugefügte Gewalt aufzudecken. Oder aber sie missachten die Vorgaben des Jugendschutzgesetzes und weichen deren Wiederstand dadurch auf, dass sie ihnen Alkohol ausschenken.

Opfern eine aktive Beteiligung einreden
Täter sind Künstler der Manipulation. Typischerweise reden Täter und auch Täterinnen den Opfern eine aktive Beteiligung ein und behaupten, die Kinder und Jugendlichen hätten sie verführt bzw. „Es habe ihnen Spaß gemacht“. Viele Jugendliche wissen nicht, dass der Körper auf sexuelle Übergriffe unabhängig davon reagiert, ob man den sexuellen Handlungen zustimmt oder nicht. Zum Beispiel kann es durchaus sein, dass Mädchen einen massiven inneren sexuellen Widerstand gegen die sexuellen Gewalthandlungen spüren, durch diese jedoch dennoch angenehme Körpergefühle ausgelöst werden. JungenbekommeninMissbrauchssituationen nicht selten eine Erektion – dies kann zum Beispiel eine Angstreaktion des Körpers sein.
Opfer zum Schweigen verpflichten
Befürchten Täter, dass Opfer die ihnen zugefügte sexuelle Gewalt aufdecken, so sichern sie sich nicht selten durch Erpressung und Drohung deren Schweigen. „Wenn du den Mund hältst, dann sorge ich dafür, dass du…. bald Mannschaftskapitän wirst.“ oder aber „Wenn du die Schnauze aufmachst, dann kannst du deine Fußballerkarriere vergessen.“

Kinder und Jugendliche überreden, sich gegenseitig sexuelle Gewalt zuzufügen
Zartbitter hat wiederholt erlebt, dass Täter Kinder und Jugendliche in sexuelle Handlungen untereinander verwickeln – zum Beispiel als angebliche Einübung von sexuellen Praktiken oder als „coole Erfahrung“. Oft schenken sie den Mädchen und Jungen Alkohol aus, um evtl. Hemmungen abzubauen. Eine andere Strategie von Tätern ist es, sexuell gewalttätige Mutproben, Aufnahme- und Gruppenrituale zu initiieren. Anschließend erpressen sie das Schweigen der Jugendlichen zum Beispiel mit Bildaufzeichnungen der von ihnen verübten sexuellen Handlungen. Das Schweigen der meisten betroffenen Mädchen und Jungen ist damit sichergestellt, denn diese wollen nicht ihre Freunde und Freundinnen verraten bzw. nicht selbst der sexuellen Gewalt bezichtigt oder als Betroffene öffentlich bloßgestellt werden. Bei der Aufdeckung sexueller Gewalt im Sport ist es deshalb bedeutsam, Kinder und Jugendliche darauf hinzuweisen, dass Mädchen und Jungen niemals dafür verantwortlich gemacht werden, wenn jemand sie zu sexuellen Handlungen an anderen überredet oder gezwungen hat. Sie brauchen die Information, um sich ggfs. anvertrauen zu können. Allerdings sollten sie zu diesem Punkt nicht von Eltern oder Vereinsmitgliedern befragt werden. Sie dürfen selbst entscheiden, wann und wem sie sich anvertrauen. Die Strategie von Tätern und Täterinnen, junge Sportlerinnen in gegenseitige sexuelle Handlungen zu verwickeln, wurde bisher weder von Vereinen noch von Beraterinnen im ausreichenden Maße wahrgenommen.
Hier finden Sie unsere Broschüre kostenlos zum Herunterladen.
Video: Fallbeispiel Täterstrategien

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