Mobbing/Bullying und sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen
Definition und
Fakten Der Begriff „Mobbing“ kommt aus der Arbeitswelt und beschreibt ein offenes oder verdecktes Vorgehen von einzelnen oder mehrerer Personen zum persönlichen oder beruflichen Nachteil eines Menschen oder einer Gruppe. Beim „Mobbing“ unter Kindern und Jugendlichen kommt der Gruppendynamik eine große Bedeutung zu. Die Fachliteratur unterscheidet dementsprechend zwischen „Mobbing“ in der Arbeitswelt und „Bullying“ unter Kindern und Jugendlichen. Über gezielte offene oder verdeckte Gewalt, die über einen längeren Zeitraum andauert, sichern sich vor allem Jungen eine Machtposition innerhalb der Gruppe. Die Gewalt findet in Form verbaler (hänseln, spotten, beschimpfen, drohen…), körperlicher Aggressionen (festhalten, stoßen, treten, kneifen, schlagen ….) oder sexualisierter Gewalt statt (peinliche/pornografische Bilder, sexuelle Übergriffe, erzwungener Stripppoker, orale, vaginale, anale Vergewaltigungen …). Ebenso wird beim Bullying oftmals Gewalt ohne Worte oder Körperkontakt verübt – zum Beispiel durch den Ausschluss aus einer Gruppe, Fratzen schneiden, verletzende Bilder ins Netz stellen oder die Weigerung auf die Bedürfnisse oder Wünsche eines anderen einzugehen. Bullying beobachtet man unter Kindern in allen Altersstufen ab 5 Jahren. Es findet besonders häufig in Klassen mit einem Jungenüberschuss oder in neu zusammengesetzten Gruppen statt (z. B. bei der Einschulung oder in der Klasse 5). Opfer sind sowohl Mädchen als auch Jungen, denn männliche Bullies richten ihre Gewalt nicht nur gegen Mädchen, sondern auch häufig gegen Jungen. Die Opfer können sich kaum der Viktimisierung entziehen. Beim Bullying unterscheidet man verschiedene Rollen: Bullies, Verstärker, Assistenten, Bully/Victims, Opfer, VerteidigerInnen und Außenstehende. Bullies sind häufiger Jungen als Mädchen, meist etwas älter oder stärker als das/die Opfer. Sie haben oftmals ein idealisiertes Selbstbild und sind sich ihres hohen Status in der Peergruppe bewusst. Ihre sozial-positiven Verhaltensweisen sind reduziert. In einigen Fällen geben sie ihren Assistenten die Anweisung, Mädchen und Jungen zu bedrohen oder ihnen sexuelle und körperliche Gewalt zuzufügen. Ebenso sind mehr Jungen als Mädchen Bullies/Victims. So bezeichnet man Kinder und Jugendliche, die sowohl Opfererfahrung haben als auch selbst Gewalt verüben. Bullies/Victims haben häufig ein negatives Selbstbild und wenig Freunde. Viele von ihnen sind ängstlich und erleben die Umwelt als feindselig. Durch Bullying versuchen sie ihre geringe soziale Akzeptanz auszugleichen und ihren Status innerhalb der Peergruppe zu verbessern. Bullies/Victims haben ein höheres Risiko als Bullies, dass sich ihr Gewaltverhalten verfestigt. Mädchen übernehmen häufiger als Jungen die Rolle der Verteidigerinnen oder sind Außenstehende. Opfer (Victims) behalten ihren Status häufig über einen längeren Zeitraum. Ohne Aufarbeitung der Gewalterfahrungen besteht auch bei einem Schul- oder Klassenwechsel ein erhöhtes Risiko, dass sie erneut einen Opferstatus erhalten. Bullying löst in Gruppen einen Gewöhnungseffekt aus: Die feindseligen Attacken werden stillschweigend akzeptiert und als „Normalität“ hingenommen. Die moderne Technik erleichtern die Möglichkeiten des Cyberbullyings: Grenzverletzende Texte und Bilder können per SMS oder kostenfrei per Bluetooth verschickt werden. Bullies loggen sich unter dem Namen anderer Kinder ein oder legen unter dem Namen ihrer Opfer Websites an. Ebenso bieten Instant Messenger und Communities eine Plattform für indirekte oder offene Verletzungen. Cyberbullying bedeutet für die Opfer eine extreme Belastung, denn über Handy sind sie orts- und zeitunabhängig erreichbar. Der private Lebensbereich verliert seine Funktion als Schutzraum. Häufig eskalieren die Attacken, denn die „technische“ Distanz reduziert die Empathie mit dem Opfer, und die Anonymität im Netz die soziale Kontrolle. Viele Mädchen und Jungen bagatellisieren Cyberbullying als nicht real und bezeichnen die Gewalthandlungen als Scherz oder Spiel. © Ursula Enders 2010 Illustration: Dorothee Wolters |